Fernbeziehung: Chancen, Herausforderungen & Tipps – Mein Interview mit dem NDR!
Fernbeziehung: Chancen, Herausforderungen & Tipps!
Mein Interview fürs N-JOY Night Lab des NDR
Für das N-JOY Night Lab des NDR wurde ich als Expertin zum Thema Fernbeziehungen interviewt. Falls du die Ausstrahlung am 27.02.2019 verpasst haben solltest, kannst du unser Gespräch hier nachlesen! Wenn dich ein bestimmtes Thema, über das wir gesprochen haben, näher interessiert, kannst du auf meinem Blog mehr dazu nachlesen – die passenden Artikel habe ich dir verlinkt.
Viel Spaß beim Lesen!
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Es wird immer so viel Negatives über Fernbeziehungen erzählt – wenden wir uns doch direkt mal dem Positiven zu! Wo sehen Sie die Chancen der Fernbeziehung gegenüber Nahbeziehungen?
Einen Vorteil von Fernbeziehungen sehe ich darin, dass die Partner unter der Woche ihre persönliche Freiheit genießen. Sie können sich Zeit nehmen für ihre Freunde, ihre Familie und stehen nicht unter dem Druck, jeden Abend mit ihrem Partner verbringen zu müssen. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass man sich nicht in allen Alltäglichkeiten absprechen und nicht die vielen Alltagsprobleme bewältigen muss, wie
- Wer bringt den Müll raus?
- Wer macht die Wäsche?
weil solche Themen gemeinsam gar nicht aufkommen. Außerdem ist es oft in Fernbeziehungen so, dass sich ein Urlaubsgefühl einstellt, wenn man den Partner trifft. Das wiederum kann man auch als Nachteil auslegen und sagen, dass man seinen Partner so gar nicht richtig kennen lernt – doch so sehe ich das nicht! Ich habe in der Fernbeziehungsberatung oft erlebt, dass die Beziehung durch die Entfernung auf Dauer frisch hält und die Partner sich immer so sehr aufeinander freuen und der Alltag gar nicht fehlt, sondern es sich im Gegenteil positiv auf die Beziehung auswirkt, dass man zusammen immer nur die schönen Tage erlebt.
Trotz all der Chancen und positiven Seiten der Fernbeziehung gibt es aber nun doch einige Probleme. Was würden Sie sagen: Wo liegen die typischen Probleme in Fernbeziehungen?
Jedes Paar hat natürlich andere Probleme aber es gibt schon typische Herausforderungen. Eine besondere ist der Faktor Zeit. Die Paare wünschen sich in der Regel einfach mehr Zeit zusammen und können das aber über die Distanz nicht so leben. Es gibt Paare, die Wochenendbeziehungen führen und sich jedes Wochenende sehen können, sich aber trotzdem unter der Woche vermissen. Es gibt jedoch auch Paare, die sich sogar nur alle paar Monate sehen können und dazwischen nur telefonieren oder sich im Videochat sehen. Und dann kommt natürlich das große Problem der Sehnsucht nacheinander und des Vermissens dazu. Die meisten Paare, die zu mir in die Fernbeziehungsberatung kommen, sagen: Eigentlich ist die Liebe füreinander da, doch sie halten die Entfernung und die wenige gemeinsame Zeit einfach nicht mehr aus.
Sicher liegen die Probleme doch auch oft in der Kommunikation der Paare begraben, oder? Während der eine Partner viel telefonieren möchte, will der andere nur ab und zu Nachrichten schreiben oder ähnlich. Können Sie konkrete Tipps für eine bessere Kommunikation über die Entfernung geben, wenn sich die Bedürfnisse der Partner unterscheiden?
Nun ja, der Schlüssel zur besseren Kommunikation liegt in der Kommunikation. Natürlich haben die Partner selten ganz genau dieselben Bedürfnisse. Dann muss ein goldener Mittelweg gefunden werden. Der eine Partner muss sich vielleicht darauf einlassen, zu telefonieren obwohl er eher der Schreiber ist und der andere Partner muss damit klar kommen, nur zweimal pro Woche für eine Stunde zu telefonieren obwohl er gerne jeden Tag drei Stunden am Telefon sprechen würde. Aber ganz entscheidend finde ich, zu schauen, welches Bedürfnis hinter dem Wunsch nach Kontakt steht. Beispielsweise der Partner mit dem Wunsch, viel zu telefonieren; welches Bedürfnis hat er?
- Möchte er die Stimme des anderen hören?
- Möchte er das Gefühl haben, am Leben des anderen beteiligt zu sein?
- Benötigt er Trost, Aufmunterung oder Aufmerksamkeit?
- Möchte er sicher gehen, dass er von seinem Partner geliebt wird?
Gibt es dann vielleicht eine Möglichkeit wie der Partner, der nicht so gerne telefoniert, diese Bedürfnisse auf eine andere Art und Weise stillen kann?
Ein anders Thema, das eine große Rolle in Fernbeziehungen spielen könnte, sind die Erwartungen, die man an seinen eigenen Partner hat. Ist es da einfach der beste Weg, die eigenen Erwartungen herunter zu schrauben oder was würden Sie empfehlen?
In Fernbeziehungen kämpfen die Partner mit vielen verschiedene Erwartungen:
- Die Erwartungen an den Partner
- aber auch die Erwartungen vom Partner an sich selbst
- sowie Erwartungen von außen,
beispielsweise die eigene Familie, die sagt „Das ist doch keine richtige Beziehung!“, „Wann zieht ihr denn endlich zusammen?“ oder „So kann man das doch nicht ewig betreiben!“
Grundsätzlich würde ich nicht pauschal empfehlen, die Erwartungen herunter zu schrauben. Der erste Schritt liegt darin, sich die eigenen Erwartungen bewusst zu machen. Oft hat man selbst gar nicht klar vor Augen, was man von seinem Partner erwartet und ist sich nicht bewusst darüber, dass sich die Erwartungen der Partner unterscheiden. Man geht oft davon aus, dass der Partner sich das gleiche wünscht wie man selbst und nimmt das für selbstverständlich. Ich würde raten, da genauer hinzusehen und sich die eigenen Erwartungen bewusst zu machen und dann die eigenen Erwartungen zu kommunizieren. Und dann kann man mit dem Partner in die Verhandlung gehen und sehen
- Welche Erwartung kann er erfüllen?
- Welche Erwartung will er erfüllen?
- Und wie geht man mit den Erwartungen um, die übrig bleiben?
Und trotzdem ist es wohl für die meisten Paare in Fernbeziehungen nicht leicht, die Distanz auszuhalten. Kann es passieren, dass die Beziehung auch einfach mal als Belastung empfunden wird und sich das dann auch im Verhalten zeigt?
Ja, das kann durchaus vorkommen! Dabei ist es wichtig, sich selbst gut zu kennen und sich in Situationen, in denen man sich zickig verhält und dem Partner Vorwürfe macht, selbst zu fragen
- Ist das gerade gerechtfertigt?
- Ist das Thema, das ich gerade anspreche und meinem Partner vorwerfe, der eigentliche Grund für meine schlechte Stimmung?
…oder ist es gerade eine allgemeine Frustration? Wenn man darauf kommt, dass die allgemeine Situation gerade frustrierend ist, gibt es auch die Möglichkeit, das gegenüber dem Partner anzusprechen. Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit fühlt er nämlich ähnlich. Denn er ist auch in dieser Fernbeziehung und hat es sich wahrscheinlich auch nicht so gewünscht. Das verbessert die Situation vielleicht nicht aber es kann hilfreich sein zu sehen, dass man an einem Strang zieht. Und möglicherweise kann man die Diskussion so noch einmal aufbringen, ob es nicht doch eine Möglichkeit zum Zusammenzug gibt.
Was kann man in einer Fernbeziehung jetzt aber tun, wenn man das Gefühl hat, den Partner so selten zu sehen, immer einsam zu sein und die ganze Zeit alleine und mit Warten auf ein Wiedersehen zu verbringen?
Ich finde es grundsätzlich wichtig – egal ob in Fern- oder Nahbeziehungen – sich nicht von seinem Partner abhängig zu machen und nicht das eigene Glück von der Partnerschaft abhängig zu machen. Ich sehe die Partnerschaft als schöne Ergänzung. Sie kann einen hohen Stellenwert im eigenen Leben haben aber ich würde niemandem dazu raten, sein Lebensglück davon abhängig zu machen.
Mit meinen Klienten versuche ich immer, das aus der anderen Perspektive zu sehen: Es ist ein Wunder, jemanden zu treffen, der möglicherweise sogar auf einem anderen Kontinent lebt, und mit dem man trotzdem den starken Wunsch hat, eine Beziehung zu führen – und der das Gefühl dann auch noch erwidert. Ich finde das ist eines der größten Wunder, die es gibt und würde dazu raten, sich darauf zu konzentrieren und die Situation aus dieser Perspektive zu betrachten anstatt traurig zu sein, dass man nicht näher zusammen ist und mehr Zeit miteinander verbringen kann.
Außerdem denke ich, dass man eine bessere Beziehung führen kann, wenn man mit sich selbst zufrieden ist und die Beziehung eine Ergänzung für ein Leben darstellt, das ohnehin schon zufrieden stellt.
Aber trotzdem ist doch das große Ziel aller Fernbeziehungen, die Distanz zu beenden und zusammen zu ziehen, oder?
Ein Großteil der Fernbeziehungen ist wirklich nur darauf ausgelegt, auf Zeit geführt zu werden. Ich erlebe allerdings auch immer wieder Paare, für die der aktuelle Zustand absolut in Ordnung ist. Das sind zum Beispiel sehr freiheitsliebende Paare oder Paare, die beruflich sehr stark eingespannt sind und für ihren Beruf leben. Für die ist es in Ordnung auch dauerhaft in einer Fernbeziehung zu leben. Sie genießen die Freiheit und all die Vorteile und wünschen sich einen Partner, bei dem sie dauerhaft das Gefühl haben können, im Urlaub zu sein, wenn sie ihn treffen. Sie möchten gar keine Partnerschaft in ihrem Alltag haben. Für die allermeisten Paare ist es jedoch eine Frage der Zeit, bis sie dann doch zusammen ziehen wollen.
Für die meisten Paare liegt das Ziel darin, zusammen zu ziehen. Ich versuche in der Beratung aber auch immer den Paaren klar zu machen, dass die Fernbeziehung eine Entscheidung ist. Jedes Paar hat seine eigenen Gründe, warum sie gerade nicht zusammen leben können. Die meisten Gründe sind beruflich bedingt. Dass ein Umzug beispielsweise mit einem Karriereeinbruch einher gehen würde und deshalb gerade noch nicht möglich ist. Oder ein Partner besitzt ein eigenes Haus oder eine Immobilie, in der er wohnt, und möchte das nicht aufgeben, muss ein Elternteil pflegen oder hat Kinder, die sozial eingebunden sind. Das sind alles triftige Gründe. Ich kann gut verstehen, dass man da nicht einfach umzieht. Und trotzdem ist es eine Entscheidung, jetzt gerade der Familie, dem Beruf oder den Hobbies und Freunden den Vorrang vor der Beziehung zu geben.
Es kommt wahrscheinlich trotzdem häufig vor, dass schon länger in einem Partner die Gedanken heranwachsen, dass die Fernbeziehung einfach nicht mehr so weiter geht. Kann es dann passieren, dass ein Partner einfach Schluss macht und die Beziehung beendet, weil er die Entfernung nicht mehr aushält? Kann das manchmal einfach die einzig richtige Entscheidung sein?
Ich würde vor dem Schluss machen erstmal zur offenen und ganz ehrlichen Kommunikation mit dem Partner raten, denn er ist ja ebenfalls an der Beziehung beteiligt. Ich würde raten, ihm erstmal die eigenen Zweifel mitzuteilen, die Bedenken, die Wünsche, was sich ändern soll. Man muss das nicht mit sich selbst ausmachen. Nur weil der Partner gerade nicht da ist, ist man trotzdem in einer Partnerschaft und kann über Telefon oder Videochat solche Themen besprechen. Ich würde nicht dazu raten, die Beziehung aus heiterem Himmel zu beenden. Möglicherweise ist auch so, dass durch den starken Wunsch des einen Partners, jetzt zusammenzuziehen, der andere Partner sich bereiterklärt, einen Schritt auf ihn zu zu gehen und einem früheren Zusammenzug zustimmt. Oder vielleicht ergeben sich allein durch das Durchdenken der Situation und das Gespräch darüber neue Möglichkeiten für eine Änderung oder zumindest einen kleinen Schritt in die richtige Richtung. Vielleicht reicht es auch, erst einmal mehr Zeit miteinander zu verbringen – es muss nicht immer gleich der Zusammenzug sein.
Wenn die Fernbeziehung aber zu anstrengend wird und das Paar keine Zukunft mehr sieht, ist eine Trennung dann die richtige Wahl?
Darauf möchte ich keine pauschale Antwort geben. Grundsätzlich gibt es natürlich Fälle, in denen es nicht mehr geht und das Paar beschließt, sich zu trennen. Vielleicht auch mit der Absicht, es später noch einmal zu probieren, wenn es gerade nicht mehr geht. Aber genau für diese Fälle habe ich ja auch die Fernbeziehungsberatung gegründet, um in solchen Situationen genau hinzuschauen, ob es nicht doch eine andere Möglichkeit gibt. Denn es ist so, dass man in diesen Situationen oft in negativen Gedankenspiralen gefangen ist und nur noch sieht, was gerade nicht funktioniert und keinen offenen Blick mehr für die Möglichkeiten und mögliche Lösungen hat. Da ist es dann hilfreich, eine psychologische Paartherapie zu beginnen. Das gibt es eben, z.B. in meiner Fernbeziehungsberatung, auch für Paare in Fernbeziehung. Dafür muss man nicht an einem Ort sein; das kann man auch über Videochat machen. Bevor eine Beziehung, die von Liebe und Wertschätzung geprägt ist, aufgegeben wird, finde ich es sinnvoll nochmal mit psychologischer Hilfe genauer hinzuschauen, ob sich noch eine andere Lösung ergibt.
Wenn dem Paar doch ein Zusammenzug gelingt, kommt es dann schnell zur Enttäuschung in der Realität? Wenn die Fehler des anderen im alltäglichen Leben plötzlich stärker auffallen…
Auch da gibt es meiner Meinung nach keine pauschale Antwort. Oft erlebe ich, dass Paare, die zusammen ziehen und davor lange eine Fernbeziehung geführt haben, so erleichtert sind, dass sie kleine Makel am anderen gar nicht so ernst nehmen, wie in Beziehungen, die von Anfang an Nahbeziehungen waren. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass Paare in Fernbeziehungen meinen, sich gegenseitig und ihre Beziehung gut zu kennen – die sich jedoch durch den Zusammenzug sehr stark verändert. Auch da spielen Erwartungen nochmal eine große Rolle, weil Partner den Zusammenzug oft nicht so richtig vorbereiten. Sie freuen sich zwar sehr darauf und klären alles Organisatorische, wie
- Wo werden wir wohnen?
- Welchen Job werde ich haben?
- Wie kann ich mich sozial einbinden?
aber sie klären nicht die Erwartungen, die sie an die Beziehung haben.
Ein einfaches Beispiel: Die Partner ziehen zusammen. Während sich ein Partner denkt „Toll, wenn wir zusammen wohnen können wir jeden Sonntag lange frühstücken und im Bett liegen, denn wir haben jetzt 7 Tage pro Woche für gemeinsame Aktivitäten und müssen nicht jede gemeinsame Sekunde aktiv nutzen!“, denkt sich der andere Partner „Toll, wenn wir zusammen wohnen können wir das ganze Wochenende Rad fahren, Bergsteigen und anderen Sport machen, weil wir ja jeden Abend unter der Woche gemütlich auf der Couch liegen können!“ – Wenn dieses Paar wirklich zusammen zieht, wird es sehr problematisch, wenn ganz verschiedene Erwartungen an den Zusammenzug aufeinander prallen. Deshalb muss auch ein Zusammenzug gut vorbereitet sein! Die Erwartungen müssen geklärt und die eigenen Wünsche kommuniziert sein.
Und wie kann man jetzt so einen Zusammenzug optimal vorbereiten? Haben Sie da Tipps?
Abgesehen von den ganzen äußeren Umständen, wie Job und Wohnsituation, würde ich empfehlen, dass sich jeder einzelne Partner Zeit nimmt zu überlegen: „Wie stelle ich mir unser Zusammenleben vor?“ Also wirklich überlegen:
- Wie stelle ich mir einen Samstag vor?
- Wie stelle ich mir einen Sonntag vor?
- Wie komme ich damit klar, dass wir zwar zusammen wohnen aber unter der Woche den ganzen Tag in der Arbeit sind und uns dann doch wieder nicht sehen?
Also wirklich einmal die ganze Woche durchdenken und sich selbst überlegen: „Wie möchte ich die gemeinsame Zeit mit meinem Partner gestalten?“ Und dann in ein offenes Gespräch mit dem Partner gehen. Die Wünsche, die man sich selbst klar gemacht hat, äußern. Und auch hier einfach wieder verhandeln und zu einem guten Kompromiss kommen.
Es bietet sich eine gute Chance, Enttäuschungen vorzubeugen, wenn man über die Erwartungen und Wünsche gesprochen hat. Dann weiß der Partner Bescheid und die Chance für Missverständnisse und Enttäuschungen sinkt einfach.
Ein weiteres Thema in Fernbeziehungen ist bestimmt das Streitverhalten! Wie streitet man am besten über die Distanz? So über das Telefon oder dann, wenn man sich sieht? Sicher kochen da einige Themen schon eine Weile lang hoch, oder?
Es gibt ganz verschieden Streittypen über die Distanz. Es gibt Typen, die einen Konflikt miteinander klären möchten wenn sie sich sehen, wodurch er die ganze Woche vor sich hin brodelt und die Stimmung ist schlecht. Es gibt aber auch Paare, die auf keinen Fall streiten wollen, wenn sie sich sehen, gerade weil sie sich so selten sehen. Aber dann brodelt der Konflikt das ganze Wochenende. Hier lautet mein Tipp: Besprecht das gemeinsame Streitverhalten einmal, wenn ihr gut miteinander seid und es gerade keinen Konflikt gibt. Stellt euch gegenseitig die Fragen:
- Was wünschst du dir, wie wir miteinander streiten sollen?
- Wie geht es dir, wenn wir so streiten, wie wir bisher streiten?
- Wie können wir es vielleicht besser lösen?
Und dann gibt es eben die verschiedenen Medien. Ich würde grundsätzlich dazu raten, einen Streit nicht zu lange aufzuschieben und vor allem Dinge, die stören, schon direkt am Anfang, dann wenn sie auffallen, anzusprechen. So können gute und konstruktive Lösungen gefunden werden, ohne dass sich der Frust schon länger angestaut hat und die Partner völlig emotional sind. Jedes Paar sollte für sich entscheiden. Über den Videochat hat man den „echtesten“ Streit. Man sieht seinen Partner, seine Mimik und hat das Gefühl, im echten Leben zu streiten – so richtig miteinander. Gleichzeitig kann es aber zu erhitzten Gesprächen führen und total eskalieren. Wenn man stattdessen über Textnachrichten streitet gibt es die Möglichkeit, alles was stört auszusprechen, ohne vom Partner unterbrochen zu werden oder vom Thema abzukommen. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass man Bedenkzeit hat und die Nachricht mehrmals lesen kann. Es gibt die Möglichkeit länger darüber nachzudenken, was die wirkliche eigene Meinung zum Thema ist und vielleicht erst zu antworten, wenn die eigenen Emotionen wieder etwas abgeklungen sind. Es ist eine rationalere Art des Streitens.
Um nochmal auf das Thema Kontakt zu sprechen zu kommen und weil wir gerade über die verschiedenen Medien sprechen: Haben Sie eine Empfehlung, wie viel Kontakt und über welches Medium, die beste Art des Kontakts für eine Fernbeziehung ist?
Ich möchte keine Empfehlung aussprechen weil jedes Paar anders ist und jedes Paar andere Bedürfnisse hat. Eine Empfehlung, die ich aber aussprechen kann, ist, unbedingt darüber zu reden! Denn wenn der eine Partner jeden Tag mehrere Textnachrichten schickt, der andere Partner aber lieber einmal täglich telefonieren will, kommt es zwangsläufig zu einer Enttäuschung oder einem Missverständnis. Deshalb: Miteinander sprechen und dem Partner die Situation erklären, z.B. „Ich habe einen Job, bei dem ich dir während der Arbeit keine Fotos schicken kann.“ Auch das hilft wieder, für Verständnis zu sorgen. Der einzige Tipp den ich hier also geben kann ist, das wieder miteinander zu kommunizieren, sich die eigenen Erwartungen klar zu machen und Wünsche zu formulieren.
Jetzt haben wir schon viele verschiedene Themen rund um Fernbeziehungen besprochen – abschließend noch das wohl spannendste Thema: Sexualität in der Fernbeziehung. Haben Sie da Tipps für die Paare, wie sie ihre Sexualität trotz Distanz ausleben können?
Das kommt auch wieder absolut auf das Paar an. Ich kenne Paare, die einfach beschließen, in der Zeit, in der sie sich nicht sehen, kein Sexleben zu haben. Da reduziert sich das Sexualleben auf Selbstbefriedigung. Diese Paare haben keine anderen Partner und warten die Zeit, bis sie sich wiedersehen, einfach ab. Das geht ganz gut in Wochenendbeziehungen, in der sich die Partner nur am Wochenende sehen und ihr Sexleben dann ausleben. Gerade wenn man sich aber länger nicht sehen kann suchen die meisten Paare schon nach einer anderen Lösung. Es gibt Paare, die sich dann erlauben, mit anderen Menschen ihr Sexleben auszuleben, also ihre Beziehung öffnen. Auch hier muss es dann natürlich gewisse Regeln geben, die jedes Paar für sich selbst festlegt. Und es gibt auch noch die Möglichkeit, das Sexleben online auszuleben, also über Videochat, Textnachrichten oder Telefonsex. Das sind alles Möglichkeiten, die man in Betracht ziehen kann. Und ich rate dazu, sich hier als Paar langsam ranzutasten, gerade wenn man unsicher ist. Wenn man sich als Paar noch nicht so traut, dann beginnt miteinander zu reden und das ganz langsam und im eigenen Tempo auszuprobieren. Bitte keinen Druck aufbauen. Denn ganz oft stehen die Partner in Fernbeziehungen, was das Sexleben betrifft, unter Druck. Besonders wenn sie sich dann sehen haben sie das Gefühl, alles nachholen zu müssen innerhalb von kürzester Zeit. Und auch hier gibt es Unterschiede. Der eine Partner möchte sich vielleicht langsam annähern und erstmal ins Gespräch kommen und bemerken, wie sich das anfühlt, wenn der Partner wieder so nah ist, während der andere Partner sich annähert, indem er vielleicht direkt ins Bett springt. Hier ist es auch ganz wichtig miteinander zu kommunizieren und sich da in einem Tempo, das für beide noch passt, anzunähern.
Ist die offene Beziehung also die beste Lösung für Paare in Fernbeziehungen? Bietet sie eine Chance für diese Art der Beziehungen oder gerade durch die Entfernung ein Risiko?
Das kommt auf das Paar an. Auch da kann ich nichts Pauschales sagen. Wenn ich mit Paaren spreche, die unter ihrem Sexleben in der Fernbeziehung leiden, dann steht es oft zur Debatte, die Möglichkeit der offenen Beziehung einfach mal zu durchdenken. Aber viele Paare schließen es auch kategorisch aus. Da wo es eine Chance bietet, ist es gleichzeitig auch ein Risiko. Es kommt darauf an, wie das Paar damit umgeht. Es gibt Paare, die ihre Beziehung öffnen, weil sie sich beispielsweise nur alle drei Monate sehen können, haben aber ganz strikte Regeln und dürfen die anderen Partner beispielsweise nur ein Mal treffen. Ich kenne auch ein Paar, das gar keine Kontaktdaten mit den anderen Partnern, die sie außerhalb der Beziehungen haben, tauschen, damit da kein Kontakt mehr zustande kommen kann – die sind da sehr vorsichtig. Natürlich bietet es ein Risiko, wenn man den anderen selten sieht und vielleicht sogar das Gefühl hat, die Verbindung zueinander zu verlieren. Trotzdem glaube ich, dass es kein größeres Risiko bietet als offene Beziehungen in Nahbeziehungen. Es kommt einfach darauf an, wie das Paar die offene Beziehung lebt, wie gefestigt die Fernbeziehung – also die eigentliche Partnerschaft – ist und wie offen und ehrlich damit umgegangen wird. Und natürlich – wie immer – auf die Kommunikation.
Gerade wenn es um offene Beziehungen geht – aber auch generell in Fernbeziehungen – ist Eifersucht doch bestimmt oft ein Thema, oder? Wie können Paare damit in ihrer Beziehung umgehen?
Für eifersüchtige Partner sind Fernbeziehungen oft die Hölle, das habe ich schon oft erlebt. Bei Eifersucht geht es ja stark um das Thema Kontrolle – und die ist in der Fernbeziehung nicht gegeben.
Ein konkreter Tipp, den ich da an die Hand geben würde, ist, dass der Partner, der nicht eifersüchtig ist, die Eifersucht seines Partners wenn möglich nicht schüren sollte. Also wenn er weiß, dass der Partner gerne wissen möchte wo und mit wem er unterwegs ist, dann sollte er es ihm auch sagen, wenn das für ihn in Ordnung ist. Das bedeutet nicht, jede Minute ein Foto vom aktuellen Standort zu schicken, sondern einfach, keine Geheimnisse vor dem Partner zu haben und nicht zu lügen. Wenn der eifersüchtige Partner feststellt, dass es schon mal Lügen in der Beziehung gab, wird es seine Eifersucht natürlich noch schüren und sie wird sich noch verschlimmern. Also offen und ehrlich Auskunft geben. Aber ganz klar: Nur bis zu dem Punkt, an dem es das eigene Leben dann persönlich einschränkt. Sich also beispielsweise nichts verbieten lassen. Und wenn das Gefühl entsteht, der Partner erwartet zu viel und möchte zu viel Kontakt, dann bitte die persönliche Grenze so setzen, wie sie gesetzt werden muss. Der eifersüchtige Partner sollte natürlich seine Eifersucht nicht einfach hinnehmen sondern – möglicherweise mit psychologischer Hilfe – mal genauer hinsehen, wo die Eifersucht herkommt. Ob es beispielsweise eine Verletzung gab. Es gibt ganz verschiedene Themen, wo Eifersucht herkommen kann. Und dann sollte versucht werden, an der eigenen Eifersucht zu arbeiten, weil es die Qualität der Beziehung auf Dauer doch einschränkt.
Jetzt ist es natürlich abschließend auch spannend zu erfahren, wie Sie persönlich zu dem Thema Fernbeziehung kamen und darauf, sich auf dieses Thema zu spezialisieren.
Meine Verbindung zu Fernbeziehungen kommt natürlich aus meiner persönlichen Erfahrung heraus. Ich habe schon viele Fernbeziehungen geführt – innerhalb Deutschlands aber auch ins Ausland. Ich kenne mich mit dem Thema aus. Ich kenne die Probleme aber auch die Chancen und ich weiß, wie es gelingen kann, eine erfolgreiche und glückliche Fernbeziehung zu führen. Herauszufinden, was es dafür braucht, hat mich natürlich auch viel Übung und Zeit gekostet. Ich habe in meinem Umfeld erlebt, wie viele Menschen Fernbeziehungen führen. In Deutschland wird mittlerweile jede achte Beziehung als Fernbeziehung gelebt. Und ich sehe so viele Paare, die sich trennen, aufgrund der Distanz aber nicht, weil sie sich nicht mehr lieben würden. Das bricht mir das Herz und da ist schon mein Anspruch, solche Fälle zukünftig zu verhindern. Als Psychologin habe ich mich letztes Jahr mit einer Online-Praxis selbstständig gemacht und habe mir dann überlegt, dass ich gerne Paare in Fernbeziehungen unterstützen möchte, eine glückliche und erfüllte Beziehung auch über die Distanz zu führen und genau solche Trennungen – trotz Liebe – zu vermeiden. Und deshalb berate ich mittlerweile ganz viele Paare über Videochat, die sich dann an verschiedenen Orten aufhalten – wir machen Videokonferenzen zu dritt. Das macht mir unglaublich viel Spaß und ich freue mich immer, wenn ich einem Paar helfen kann und dieses dann von meiner eigenen persönlichen Erfahrung profitieren kann.
Eine Fernbeziehung stellt oftmals eine große Herausforderung dar! In meiner geschlossenen Facebook Gruppe „Fernbeziehung meistern! Tipps & Austausch für die Liebe auf Distanz“ erhältst du die Gelegenheit, dich mit anderen Fernbeziehungs-Erfahrenen auszutauschen. Ich beantworte dort deine Fragen und biete einen geschützten Rahmen für den offenen und ehrlichen Austausch über Probleme und Herausforderungen. Trete jetzt direkt bei – ich freue mich auf dich!
Linda Mitterweger (Psychologin)
Ich helfe Menschen in Fernbeziehungen, trotz der Distanz eine erfüllte Partnerschaft zu leben. Ich selbst habe bereits viele Jahre Fernbeziehungen geführt und kenne die Herausforderungen, die diese Beziehungsform bietet – aber auch die Chancen. Mit meiner Unterstützung kannst du die Kommunikation und Offenheit in deiner Beziehung stärken und so gute Lösungen für die Herausforderungen finden, die sich dir in deinem Leben und in deiner Fernbeziehung stellen. Neben Einzelsitzungen und Online-Paartherapie biete ich Beratungspakete für Frauen und Männer zu verschiedenen psychologischen Themen an. Kontaktiere mich für deine 90-minütige Power-Session oder verabrede direkt online deinen nächsten Termin.
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